Aufrufe
vor 2 Jahren

Mitte: Großstadtflair und Kiezleben

  • Text
  • Freizeit
  • Kultur
  • Berlin
  • Mitte
  • Menschen
  • Kinder
  • Soziales
  • Beratung
  • Tiergarten
  • Bezirk
  • Moabit
Die Berliner Bezirke sind Großstädte für sich: Die Bezirksbroschüren, die jährlich oder anderthalb jährlich erscheinen, stellen jeden Bezirk in seiner Vielfalt und Besonderheit dar. Der Leser erfährt Neues aus dem Rathaus und findet einen Wegweiser durch die Bezirksbehörde. Mit vielen Fotos, Berichten und Reportagen wird der Bezirk vorgestellt, von neuesten Projekten in Wirtschaft und Wissenschaft, Stadtentwicklung, Kultur und Sport berichtet. Unternehmen vor Ort prägen die Wirtschaftskraft des Stadtbezirkes. Global tätig sind sie doch regional verwurzelt. Wirtschaftsbroschüren porträtieren Firmen und Gewerbestandorte, stellen gewinnbringende Netzwerke und regionale Besonderheiten dar in Wirtschaft und Wissenschaft, Bauen und Wohnen, Handwerk, Kultur, Tourismus und Gesundheit. Erneuerbare Energien sind ebenso Schwerpunkt wie die Möglichkeiten zu Existenzgründung sowie Aus- und Weiterbildung.

WIRTSCHAFT |

WIRTSCHAFT | (AUS)BILDUNG | KARRIERE 84 Erzählsalon #manufaktur_erzählt Schönes und Hochwertiges schaffen Es ist ein gemeinsames Projekt der Wirtschaftsförderungen Lichtenberg, Mitte und Pankow, das den Wert der besonderen Dinge hörbar machen will: Unter #manufaktur_ erzählt werden Geschichten und Erkenntnisse untereinander und einem interessierten Publikum präsentiert. Wir lauschten dem Erzählsalon im Hotel Oderberger Straße. Warum ein Erzählsalon? „Für mich wirkt das Format wie eine eigene, individuelle Performance, die niemanden unberührt läßt – alle vereinen sich zu einem lebendigen Kunstwerk. Dadurch gibt es auch eine andere Vernetzung zwischen Teilnehmern, Erzählenden und Zuhörern“, sagt Nadia Holbe, Leiterin des Büros für Wirtschaftsförderung Pankow. Der Erzählsalon geht auf die Tradition der Berliner Salons des 19. Jhd. und traditionellen Zusammenkünfte in jüdischen Handwerkerfamilien zurück, die sich heute noch am Freitagabend die wichtigsten Details der Woche erzählen, und wird seit mehr als zehn Jahren von Pankow aus in modernem Gewand gepflegt und praktiziert. Zentrales Element ist das aktive Zuhören. Die Wirtschaftsförderungen haben das Format des Business-Erzählsalons gewählt. Dort erzählen sieben bis neun Personen ihre Unternehmer-Geschichte mit Bezug zum Thema Manufakturen und lernen andere Sicht- und Erfahrungsweisen kennen. Sie hören einander zu, es gibt keine Wertung. Kontakte und Netzwerke entstehen, Impulse für Initiativen und Projekte werden gesetzt. Eine Eigen- und Fremdreflektion auf den Wert von Handwerk und Manufakturen wird initiiert und kann in Produkte und Initiativen fließen. Eine Salonnière moderiert und sorgt für den roten Faden, der die Geschichten verbindet. Nicht auf Masse machen Man müsse sich „auf das Wesentliche konzentrieren, nicht auf Masse machen“, ist eine Erkenntnis, über die Glasermeister Torsten Gespräche beim Erzählsalon: Wie verstehen sich die Menschen in Manufakturen? Holze berichtet. Manche/r kennt ihn von der Fernsehserie „Mein neuer Job“ aus Mallorca. „Wenn Du die Mitarbeiter gut bezahlst, öffnen sich andere Türen.“ Er habe seine Firma umgestellt und seine Arbeit von der 100-Stunden auf eine 50- bis 60-Stunden- Woche reduziert. Zu seinen Kunden gehören Claudia Schiffer und Michael Douglas. Nach 25 Jahren und mit rund 10 Mitarbeitenden ist Torsten Holze sehr zufrieden: „Ich bin da angekommen, wo ich hinwollte.“ Glück gehört dazu Prominente Kunden gibt es auch beim nächsten Erzähler. „Sasha Walz war unsere erste Kundin und ist es bis heute.“ Der Physiker Boris Hetzer betreibt gemeinsam mit einem Chemiker und einem Grafiker eine „Modellbau-Werkstatt für szenografische Bauten für die Theater- und Ausstellungsbranche“. Glück und Pech liegen manchmal nah beieinander. So hätten sie immer wieder Glück gehabt, (größere) Räume zu finden, als sie sie benötigten – manchmal dort, wo andere Firmen aufgeben mussten. Dass sie vor drei Jahren ihre Hallen in der Buchholzer Straße kauften „war sehr vernünftig“. Positiv dazu: Während beim Bühnenbild Unikate (und Kreativität) gefragt sind, gibt © Nößler/aperçu (2) es mit der Tonkabine, die im Unternehmen gefertigt wird, „ein Produkt mit Serienfluss“. „Kommt bitte seltener!“ Im ersten Jahr habe er morgens Eis produziert, nachmittags verkauft und abends und nachts Büroarbeit und Facebook erledigt. Robert Niko von der Eispatisserie Hokey Pokey war überzeugt: Die Leute kommen von alleine und in Scharen, wenn man ein tolles Produkt hat. Heute weiß er: „Es dauert länger. Im zweiten Jahr war es sehr, sehr voll. Im dritten Jahr war es zu voll. Es kamen mehr als wir hätten bedienen können. Wir sind morgens aufgewacht mit der Sorge, wie wir den Tag schaffen sollen… Wir wurden dann schnell teurer als die anderen und schnell deutschlandweit bekannt. Wir haben ein Schild rausgehängt: ,Wir lieben es, dass ihr alle kommt. Aber kommt bitte seltener.‘ So wurden wir Vorbild für Eisdielen: teuer, hochwertig, mit Bioprodukten. Ich bin stolz, dass ich diese Entwicklung angestoßen habe. Wir haben fünf Läden und im Sommer 150 Mitarbeiter. Viele arbeiten nur an einem Tag in der Woche – und es ist immer eine Herausforderung, im Herbst zu schrumpfen und eine Freude, wenn im Frühling wieder 70, 80 Prozent dabei sind.“

Eine heimliche Liebe Lith Bahlmann vom Keramilkatelier alte Fleischerei hatte im Kunst- und Kulturbetrieb Berlins gearbeitet, als Autorin und Ausstellungsmanagerin, und heimlich getöpfert und es genossen, alleine zu arbeiten. „Ich kam mir ein bisschen lächerlich vor“ – und doch habe sie gemerkt, was für ein Zustand der Ruhe und Zufriedenheit sich einstellte. Also hat sie ihre Ersparnisse für den neuen, eigenen Arbeitsplatz genutzt und das Glück gehabt, gleich ein Restaurant ausstatten zu können, was sich rumgesprochen hat. Ihr Problem: Die Rahmenbedingungen mit befristetem Mietvertrag sind nicht ideal. „Jahr für Jahr sitzen wir, obwohl es uns wirtschaftlich gut geht, auf gepackten Drehscheiben. Konsequent mit Kompromiss Neues Leben für alte Fliesen, könnte das Motto von Nina Brachmann von Mosi Mosa Upcycling Mosaik sein, das sie seit vier Jahren zunächst nebenberuflich und seit einem Jahr hauptberuflich verfolgt. Sie produziert aus alten Materialien Neues, gibt Workshops und sammelt allerorten unbrauchbare Materialien ein, in Keramikmalstudios wie Bauschuttcontainern. Nicht immer macht das Upcycling Sinn, musste sie feststellen, etwa wenn sich alte Holz-Trägerflächen gebogen haben. So arbeitet sie heute „konsequent mit Kompromiss“. Die Herausforderung, mit einer begrenzten Anzahl gleich dicker Teile und gleicher Farben Neues zu schaffen, ist groß genug. „Das meiste ist für die Küche, wo es wieder benutzt wird. Das ist doch die beste Form von Upcycling!“ Alles ist möglich Christian Gröschel macht die Heynhöfe in der Heynstraße zu einer „Fläche für alle, die sich gedanklich mit Sachen auseinandersetzen“. Er liebt es offenbar, wenn „die Sachen sich vermischen“, wenn etwa Handwerker und Künstler zusammentreffen. Irgendwie scheint so alles möglich: Video- Studio, Design-Agentur, Werkstatt, Café, Weihnachtsmarkt, Musikfeste: „Jeder bringt etwas mit und wir machen was daraus. Das rechnet sich mittlerweile.“ Er sagt von sich: „Ich hab jeden Tag neue Ideen…“ Das Dressing machts Der Vater war Flüchtling aus der UdSSR, die Großhandelsausbildung der Tochter versprach finanzielle Sicherheit, „aber das hat mich nicht glücklich gemacht.“ Sophia Georgia Burdin geht gerne Besonderes einkaufen und stellte dabei fest: „Ansprechende Dressings gab es im Supermarkt nicht.“ So entstand die Idee der Dressingqueen: Tagsüber wird produziert, nachts über Logoideen gebrütet. „Ich habe immer sehr rational agiert und nun zum ersten Mal auf mein Bauchgefühl gehört.“ Der Zuspruch auf Märkten und in Pop-up-Stores sei enorm, „viele Menschen wertschätzen meine Arbeit.“ Sie habe zwei Besteller, viele Kooperationen, aber auch immer Angst, zu enttäuschen. „Ich betreue jeden Bereich selber, habe noch nie so viel gearbeitet.“ Gleichzeitig sei sie froh, „Schönes zu schaffen, eine Qualität, die hochwertig ist“ Sie sagt sich: „Wenn Du heute aufgibst, weißt Du nie, ob Du es morgen geschafft hättest.“ Transparentes Arbeiten Robert Krebes wurde Raumausstatter. Nach vielen Stationen und dem gefallenen Meisterzwang konnte der Mecklenburger richtig loslegen, mit dem Gewerbeschein für 20 € in der Tasche. Von der kleinen Werkstatt im Wedding ist er in die Schönhauser Allee gezogen. Die gläserne Werkstatt der Raumausstattung & Polsterei bietet transparentes Arbeiten. „Die Kinder stehen davor und staunen, wie es unter dem Stoff beim Sofa aussieht.“ Sein Unternehmen mit 32 Leuten und – dank Corona – auch mit zwei Online Shops hat Fahrt aufgenommen, fertigt „Möbel für Botschaften, Privathäuer, gute Hotels mit großem Erfolg.“ Zufrieden klingt er. Andenken ans Haustier In der Corona-Zeit hat sich die Studentin Leonie Kleindienst zwei Kaninchen zugelegt und bei Instagramm Kontakt zu anderen Kaninchenfreunden gefunden: „Doch so ein Tier lebt nicht ewig…“ Leonie Kleindienst sucht nach dem idealen Andenken für das verstorbene Familienmitglied und gründet Memoriebow. Sie fertigt und personalisiert entsprechend den Farben der Hunde, Katzen oder Kaninchen, Regenbogenbrücken zur Erinnerung im Makramee-Style. „Mein Focus liegt auf Qualität. Mein großes Ziel ist es, das hauptberuflich zu verwirklichen.“ Wie geht es weiter? Wer am Erzähl-Salon teilnehmen möchte, kann Daniela Franzke, Tel. 90295-6702, daniela.franzke@ba-pankow.berlin.de eine kurze Information geben. Auch Zuhörende sind herzlich willkommen. WIRTSCHAFT | (AUS)BILDUNG | KARRIERE Birgit Nößler Im Hotel Oderberger Straße fand der Auftakt der Veranstaltungsreihe statt. • Geschäftskundenbetreuung • Vertragsverlängerung • Reparaturannahme 030 / 450 23 400 Future Communication GmbH Müllerstr. 137 | 13353 Berlin 85