18 ERLEBEN SIE DIE REGION Inklusion im Tourismus – ein Gewinn für beide Seiten Mit dem Rolli ins Restaurant Rollstuhl-Aktivist Udo Sist beim Tourismustag in Thyrow © Gerald Bornschein Udo Sist sitzt seit seiner Kindheit im Rollstuhl, versteckt sich aber nicht zuhause, sondern geht leidenschaftlich gern essen und verreist auch viel. Doch vor jedem Restaurantbesuch und jeder Hotelübernachtung betreibt er im Netz akribische Recherchen: Gibt es Parkplätze für Behinderte, eine Rampe oder einen Fahrstuhl? Wie sieht es mit den Toiletten aus? Auch in seinem Beruf blickt Udo Sist aus der Perspektive von körperlich Behinderten: Er sei eine Art „Tinder“ für den Arbeitsmarkt, erklärt er. Als Berater für inklusives Arbeiten im AWO Bezirksverband Potsdam bringt er Arbeitssuchende und Arbeitgeber zusammen. Und bei seinen Besuchen von Arbeitsstätten testet er stets selbst, wie barrierefrei die Wege wirklich sind. Udo Sist will langfristige Kontakte anbahnen: „Behinderte, die endlich eigenes Geld verdienen können und unabhängiger werden, sind die loyalsten Mitarbeiter.“ Inklusion und Arbeitskräftemangel waren zwei Schwerpunkte des Fläminger Tourismusgesprächs, das im November 2023 in der Kulturscheune Thyrow stattfand. Steffi Randig, Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Landkreis Potsdam- Mittelmark, stellte klar, dass die stärkere Integration von behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt nicht nur ein Mittel gegen den Fachkräftemangel sein kann, sondern eine Bereicherung ist. „Das strahlt auch nach außen aus!“ Betriebe, die sich schon länger Inklusion verschrieben haben, berichteten aus der Praxis. So erklärte die Psychologin Sonja Massow, die in den Teltower Werkstätten der USE (Union sozialer Einrichtungen) Menschen mit psychischen Erkrankungen und körperlichen Behinderungen betreut, Handbiker auf dem Flaeming Skate welche Arbeiten besonders geeignet sind. So hat die USE die Erfahrung gemacht, dass der Einsatz von Behinderten im Catering und an der Essensausgabe von stark frequentierten Gaststätten für sie zu stressig gewesen sei und sich nicht bewährt habe. „Diese Menschen brauchen eine klare Struktur, gehen eher in gleichmäßigen und kleinteiligen Arbeiten auf.“ Wenn sie im Hintergrund eingesetzt würden, könnten sie Fachkräfte stark entlasten. In einem entspannten Rahmen, wie etwa im Ladencafé in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg, arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zusammen: „Sie sind auch für die Kunden ein Gewinn.“ Konkrete Tipps für potentielle Arbeitgeber aus dem Tourismus gab Holger Dieterich. Der Vorstand des Vereins © Landkreis Teltow-Fläming Sozialhelden e. V. widerlegte zahlreiche Vorurteile, etwa: Menschen mit Behinderung seien nicht kündbar, ständig krank und eine Belastung für die Kollegen – all diese Annahmen stimmen nicht! Dieterich betreut die App „Wheelmap“, die aufzeigt, wie barrierefrei und rollstuhlgerecht öffentliche Gebäude und Einrichtungen sind. Hier kann sich jeder Betrieb selbst eintragen – und damit Gästen wie Udo Sist gute Gründe fürs Kommen liefern. Der Rollstuhl-Aktivist wies auch darauf hin, dass die Barrierefreiheit oft in Konkurrenz zum Denkmalschutz stehe: „Beim Kopfsteinpflaster in restaurierten Altstädten bekomme ich eine Gehirnerschütterung!“ Er fordert: „Barrierefreiheit sollte so streng im Gesetzt verankert werden wie der Brandschutz!“ Torsten Wahl
19 Die Dorfkirche Radewege bekam ihr originales Dach zurück Eine Haube mit Schweif Die Denkmalschützer des Landkreises Potsdam-Mittelmark sind für den Erhalt und die Pflege der etwa 3.000 Bau- und Bodendenkmäler der Region zuständig, darunter 170 Dorfkirchen. Der Wiederaufbau der Turmspitze der Dorfkirche Radwege ist ein herausragendes Zeugnis kirchlichen, privaten und institutionellen Engagements. Die Geschichte der Kirche ist eng mit der Entwicklung der Bischofsstadt Brandenburg verbunden. Das Dorf Radewege liegt in landschaftlich reizvoller Lage am Beetzsee. Am gegenüberliegenden Ufer erblickt man die markante Silhouette von Brandenburg. Als „Kämmereidorf“ hatte Radewege Dienste und Abgaben zu leisten, wie auch die Gerichtsbarkeit von Brandenburg ausging. Ab dem 16. Jahrhundert entstanden Weingärten des Stadtbürgertums, die Ortslage wurde wie eine Sommerfrische genutzt. In Pestzeiten suchten die Städter hier Unterschlupf. Da auch das Patronatsrecht, also das Recht zur Besetzung der Radeweger Pfarrstelle, beim städtischen Rat lag, war der Bauunterhalt der Dorfkirche sichergestellt. Der Kirchenbau ist ungewöhnlich: Die holzkundliche Unter- suchung des Dachstuhls lässt eine gesicherte Datierung auf 1469 zu. Der Baukörper selbst zeigt einen für brandenburgische Dorfkirchen eher seltenen Typus: Es handelt sich um eine Saalkirche – der Chor ist dreiseitig geschlossen und genauso breit wie das Hauptschiff. Auch der Westturm besitzt die gleiche Breite wie die anschließenden Bauteile des Schiffes und des Chores. Diese fehlende Staffelung der Baukörper verleiht dem imposanten Backsteinbau einen äußerst kompakten Eindruck. Die Einwölbung des Kirchenraumes erfolgte mit einem eleganten Kreuzrippengewölbe, wie man es ansonsten auch nur von größeren spätgotischen Kirchen her kennt. Der Westturm war ursprünglich ein Geschoß niedriger und wurde erst 1756 um ein verputztes Backsteingeschoss erhöht. Als Dachaufbau wurde eine schlanke hölzerne, schiefergedeckte Schweifhaube (Zwiebelturm) ausgeführt, die ein einfacheres, möglicherweise pyramidenförmiges Dach ersetzte. Damit zeigte sich die Radeweger Dorfkirche als weithin sichtbare Landmarke. In Folge eines Blitzeinschlages am 4. Mai 1973 brannte die Schweifhaube ab. Sie wurde durch ein pyramidenförmiges Notdach ersetzt, das zwar seinen Zweck erfüllte, dem Gebäude jedoch sein charakteristisches Gepräge nahm. Im Jahr 2000 wurde der Förderverein Kirchdach e. V. gegründet, der sich gemeinsam mit der Landeskirche und der Evangelischen Kirchengemeinde am Beetzsee um den Erhalt des Kirchengebäudes und um die Wiedererrichtung der Schweifhaube bemühte. Dieses Engagement wurde endlich belohnt, als 2023 die rekonstruierte Turmbekrönung aufgesetzt werden konnte. Dabei galt es zunächst, die Geometrie und Form der Haube festzulegen. Dies geschah in Analogie zu etwa zeitgleichen Kirchenbauten der Region sowie an Hand historischer Fotografien. In einem nächsten Planungsschritt wurde in Anlehnung an tradierte Holzkonstruktionen der Aufbau des Tragwerkes, also quasi das Skelett der Haube, entworfen. Holzquerschnitte und Holzverbindungen wurden dimensioniert. Eine besondere denkmalpflegerische Anforderung und statische Herausforderung bestand darin, die noch erhaltenen, brandgeschädigten Deckenbalken der alten Haube als Zeitzeugnis zu erhalten. Dieses Ziel wurde durch den Einsatz zusätzlicher Verstärkungselemente aus Stahl erreicht. Insgesamt präsentiert sich die neue Schweifhaube und ihr Innenleben daher als anspruchsvolle bautechnische und denkmalpflegerische Leistung. Der Förderverein Kirchdach e. V. holte im Laufe der Jahre viele Förderer ins Boot und bedankt sich bei: Kirchdach e. V. Förderkreis Dorfkirche Radewege | Bundesmittel (BKM Sonderprogramm DS-X) | Land Brandenburg (MWFK Denkmalhilfe) | Landkreis Potsdam-Mittelmark | Gemeinde Beetzsee/Amt Beetzsee | Landeskirche EKBO | Deutsche Stiftung Denkmalschutz | Stiftung Preußisches Kulturerbe | Stiftung Maßwerk | Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e. V. | Rotary-Club Brandenburg an der Havel | Mittelbrandenburgische Sparkasse | Jagdgenossenschaft Radewege | Brielower Agrar GmbH © Maria Menzel -Meyer
68 STADT WERDER (HAVEL) Stadtverwal
70 GEMEINDE GROSS KREUTZ (HAVEL) Au
72 GEMEINDE KLEINMACHNOW Ein angene
74 GEMEINDE KLOSTER LEHNIN Das Stel
76 GEMEINDE MICHENDORF Streuobstwie
78 GEMEINDE NUTHETAL Gemeindeverwal
80 GEMEINDE SCHWIELOWSEE Schloss Ca
82 GEMEINDE SEDDINER SEE Gemeindeve
84 GEMEINDE STAHNSDORF Stahnsdorfs
86 GEMEINDE WIESENBURG/MARK Gemeind
88 AMT BEETZSEE Amtsverwaltung Beet
90 AMT BRÜCK Amtsverwaltung Brück
92 AMT NIEMEGK Schwimmbad am histor
94 AMT WUSTERWITZ Amtsverwaltung Wu
96 AMT ZIESAR Amtsverwaltung Ziesar
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